RESILIENT Forest Cities: Utopie und Entwicklung im modernen Amazonasgebiet
RESILIENT: Forest Cities - Utopia and Development in the Modern Amazon ist ein auf 3 Jahre angelegtes Projekt der Gerda Henkel Stiftung im Rahmen des Sonderprogramms: Lost Cities: Perception of and living with abandoned cities in the cultures of the world. Es konzentriert sich auf die „verlorenen Städte“ des 20. Jahrhunderts im Amazonasgebiet, die im Zusammenhang mit verschiedenen Bergbauprojekten entstanden und aufgegeben wurden. Das Projekt zielt darauf ab, eine kritische Debatte über Landnutzung und Urbanisierung in tropischen Wäldern und deren globale Auswirkungen anzuregen, indem multidisziplinäre Ansätze kombiniert werden, um „verlassene Städte” im Amazonasgebiet zu untersuchen, die im Zusammenhang mit verschiedenen Rohstoffförderungsprojekten im Laufe des 20. Jahrhunderts entstanden sind.
RESILIENT wird anhand zahlreicher historischer Dokumente, Fotografien, Karten und Zeitzeugenberichte die Widerstandsfähigkeit von Industriestädten in tropischen Regenwäldern aus menschlicher und nicht-menschlicher Perspektive untersuchen. Verlassene Städte im Amazonasgebiet sind ideale Orte, um die Fallstricke von Diskursen über Modernisierung und Fortschritt zu untersuchen, die bei groß angelegten Entwicklungsprojekten vorherrschen und bis heute die Vorstellungen, Erwartungen und das Leben der Menschen im Amazonasgebiet prägen.
Das Projekt wird am Max-Planck-Institut für Geoanthropologie (MPI-GEA) in der Abteilung für Koevolution von Landnutzung und Urbanisierung durchgeführt und wurde in Zusammenarbeit mit der Universität Genf (Eccellenza-finanzierte Forschungsgruppe ANTROPOSOUTH) und der Universität Coimbra (ERC-finanzierte Forschungsgruppe ECO: Amazônia) konzipiert und entwickelt. Die Zusammenarbeit mit brasilianischen Universitäten und Institutionen, darunter die Bundesuniversität von Pará, das Museu Goeldi und die Bundesuniversität von Amapá, ist ebenfalls ein wichtiger Bestandteil der Projektarbeit. Zu den erwarteten Ergebnissen des Projekts gehören neben Artikeln, Buchkapiteln und einer Sonderausgabe ein Fotobuch, ein Film und eine Ausstellung.
Forschung

Ford-Ausstellungsgebäude, Century of Progress International Exposition, Chicago, Illinois, 1934
Im Jahr 1972 weihte Brasilien eine der größten Autobahnen der Welt ein. Diese Straße folgte nicht der brasilianischen Küste, um die wichtigsten Hauptstädte des Landes zu verbinden. Stattdessen durchschnitten sie das Herz des Amazonas-Regenwaldes, was den Namen der Straße, Transamazonica, rechtfertigte. Ihre offizielle Eröffnung löste einen massiven Zustrom landloser Bauern, Investitionen internationaler Privatunternehmen und die Gründung zahlreicher Firmenstädte in der Region aus, die oft in indigene Gemeinschaften und Siedlungen eindrangen.
Öffentliche Beamte griffen den Zeitgeist einer urban-industriellen Zukunftsvision für die Waldgebiete auf, die zu dieser Zeit weit verbreitet war. Die vorherrschende Entwicklungsmentalität schlug sich in Plänen für Wasserkraftwerke, Bergbaugebiete und die Ausbeutung von Öl- und Kautschukvorkommen nieder, wobei neue Formen der extraktivistischen Landnutzung mit städtischen Projekten verbunden waren, die symbolisch für das Aufkommen des Anthropozäns standen. Diese Bestrebungen hatten Agrarkonflikte, Entwaldung und Menschenrechtsverletzungen zur Folge, die durch das neue Territorialmodell hervorgerufen wurden und langjährige Formen der Landnutzung und Kosmologien der indigenen Bevölkerung marginalisierten.

Dennoch bezeichneten viele Zeitungen Mitte der 1980er Jahre viele dieser Firmenstädte als unterentwickelt und verlassen. Zwar trugen verschiedene Faktoren dazu bei, doch Entwicklungsagenturen führten dieses Scheitern häufig auf die ungezähmte „Wildnis” des Waldes zurück. Dieses Argument lässt sich historisch mit anderen westlichen, industriellen Annahmen in Verbindung bringen, die verlassene Städte mit der Vorstellung einer unüberwindbaren und unberührten Natur im Amazonasgebiet und in tropischen Wäldern weltweit gleichsetzten.
Anhand einer interdisziplinären Untersuchung befasst sich das Projekt mit der Widerstandsfähigkeit amazonischer Industriestädte in tropischen Regenwäldern. Die Ziele des Projekts gliedern sich in diese Schwerpunkte:
- Erstellung eines umfassenden Bildes der Auswirkungen des sogenannten extraktiven Urbanismus im Amazonasgebiet
- Interpretation der Verflechtungen zwischen verlassenen Städten und Entwicklungsidealen, kapitalistischer Expansion und der Verbreitung technokratischer Utopien
- Verfolgung von Landnutzungsänderungen als Folge der im 20. Jahrhundert im Regenwald entstandenen städtischen Netzwerke
- Vergleich verschiedener Konzepte von Stadt, urban und nicht-urban sowie der umstrittenen Bedeutungen von Verlassenheit unter den beteiligten Akteur:innen
- Aufdeckung der sozio-ökologischen Resilienz der untersuchten ehemaligen Firmenstädte
- Bewertung der zentralen Bedeutung nicht-menschlicher Beziehungen und der Umwelt für den Erfolg oder Misserfolg urbaner Räume
Aktivititäten und Pläne 2025
Januar und Februar: Archivforschung, Feldforschung und Produktion eines Fotobuchs (in Zusammenarbeit mit Christian Braga) in Brasilien (Danielle Viegas, Julia de Medeiros und Henrique Gasperin). Besuchte Orte: Monte Dourado und Laranjal do Jari, Marituba, Serra do Navio, Santana, Belterra, Nova Olinda do Norte.
März: Gastvorträge/Seminare zum Thema Amazonas-Entwicklungsmodell und Klimaleugnung mit Klaus Ramalho von Behr (Brasílien/Potsdam) und Antoine Acker, Universität Genf
April: Vortrag von Julia de Medeiros. Abteilung für Koevolution von Landnutzung und Urbanisierung – MPI-GEA, Deutschland.
Mai: LASA. São Francisco, USA. Podiumsdiskussion: The Amazon River Basin: Extractivism, Indigenous Perspectives and an Aesthetics of Resistance (Patrícia Vieira und Danielle Viegas). Vortrag von Julia de Medeiros.
Bethlehem und Delaware, USA. Archivforschung im Hagley Museum und National Museum of Industrial History. (Julia de Medeiros)
Juli: SOLCHA, Rio de Janeiro, Brasilien. Podiumsdiskussion: Extrativismos, infra-estruturas e desenvolvimento na Amazônia Moderna. (Danielle Viegas und Antoine Acker). Vorträge von Danielle Viegas, Julia de Medeiros und Henrique Gasperin.
Filmaufnahmen mit Unterstützung der Gerda Henkel Stiftung.
Forschungergebnisse und Publikationen
Podcast
Networking with plants in the Anthropocene (Podcast). Interview mit Prof. Patrícia Vieira. https://soundcloud.com/networking-with-plants/episode-19-kate-brelje-interviews-patricia-vieira
Ausstellung
Forest Cities: The Amazon Between Ruins and Resilience (Campus Anthropocene, 2024)
Workshop
“Cartas Visuais para Futuros no Antropoceno” (Visual Letters for a Future in the Anthropocene). Rio de Janeiro, Bra (Julia de Medeiros and Henrique Gasperin) In Zusammenarbeit mit Freg Stokes (Gastforscher) und Danielle Viegas (Org.)
Special Issue on Amazonian Global History (2025). Organisiert von Danielle Viegas, Antoine Acker, Patrick Roberts und Patrícia Vieira.
Monde(s): Histoire, Espaces, Relations
Gerda Henkel Film - PORTAL L.I.S.A. (2025)
RESILIENT: forest cities, development, and utopia in Modern Amazon.
Papers
Buchkapitel
Viegas, Danielle H.; Bailão, André C.; da Silva, André Felipe C.; Gasperin, Henrique B.; Roberts, Patrick. The Amazon as a Global Arena: Climate Change, Politics, and Knowledge in the Great Acceleration. IN: Rohland, Eleonora; García Acosta, Virginia; Goebel McDermott, Anthony; Taks, Javier. The Anthropocene as Multiple Crisis: Latin American Perspectives. CALAS Handbook Series III. Bielefeld: Bielefeld University Press, 2025.
Vieira, Patrícia. “Las Vidas de los Ríos Amazónicos.” Parana Twana / Alma del río: La vida en las comunidades ribereñas del Marañon, p. 31-33. In: Juanjo Fernández. Parana Twana / Alma del río: La vida en las comunidades ribereñas del Marañon. Lima: Pakarina Ediciones. 2024.
Herausgegebene Bücher
Olaf Kaltmeier / Antoine Acker / León Enrique Ávila Romero / Regina Horta Duarte (Eds.) Biodiversity – Handbook of the Anthropocene in Latin America II. The Anthropocene as Multiple Crisis: Latin American Perspectives. CALAS Handbook Series II. Bielefeld: Bielefeld University Press, 2025.
Viera, Patrícia. The Amazon River Basin: Extractivism, Indigenous Perspectives and a Political Aesthetics of Resistance (editing).
Partnerinstitutionen
