Neue Forschungsergebnisse hinterfragen die Rolle des mobilen Pastoralismus in weitreichenden sozioökonomischen Verbindungen des Kleinen Kaukasus während der Kupferzeit
Eine kürzlich in der Fachzeitschrift iScience veröffentlichte Studie bietet neue Einblicke in die Viehhaltungs- und Landnutzungspraktiken im Kleinen Kaukasus während der Kupferzeit. Im Fokus steht dabei die in Höhenlage gelegene Stätte Yeghegis-1 in Südarmenien. Die Studie revidiert die weitbreitete Ansicht, dass der mobile Pastoralismus eine zentrale Rolle bei der technologischen Entwicklung, der Ressourcenbeschaffung und den transregionalen Interaktionen in der Region spielte.

Frühere Studien gingen davon aus, dass der Kaukasus während der Kupferzeit bzw. des Chalkolithikums (5.000 bis 3.500 v. Chr.) eine Verschiebung hin zu einem mobilen Lebenswandel erlebte und sich zu einem dynamischen Knotenpunkt für Innovation und Vernetzung entwickelte. In diesen Modellen wird der mobile Pastoralismus häufig mit der Ausbeutung von Ressourcen des Hochlands und bedeutenden technologischen Entwicklungen wie dem Aufkommen von Bergbau und Metallurgie in Verbindung gebracht. Mobile Pastoralisten werden auch als Träger technischer und kultureller Praktiken angesehen, die den Kontakt zwischen Kerngebieten und sogenannten Randgebieten und Peripherien erleichtern. Diese Vorstellungen beruhen jedoch häufig auf Vergleichen mit modernen Viehhaltungspraktiken und begrenzten archäologischen Belegen.
Die aktuelle Studie verfolgt einen anderen Ansatz, indem sie mehrere Beweisketten (Zooarchäologie, Archäobotanik, Paläoproteomik und die Analyse stabiler Isotope) kombiniert, um eindeutigere Einblicke in die Ressourcennutzung, Landnutzungsstrategien und – anpassungen zu gewinnen. Die Ergebnisse zeigen, dass Schafe und Ziegen die Grundlage der lokalen Wirtschaft bildeten, während die Jagd und der Pflanzenanbau in kleinem Maßstab sowie die opportunistische Nahrungssuche eine untergeordnete Rolle spielten. Von entscheidender Bedeutung ist, dass die Sauerstoff-, Kohlenstoff- und Stickstoffisotopendaten auf ein festes System mit geringer Mobilität und ganzjähriger Abhängigkeit von den lokalen Hochlandressourcen hindeuten, und damit von vorherigen Modellen abweicht, die spezialisierte Formen des mobilen Pastoralismus bei der Entwicklung der interregionalen Dynamik im Kaukasus hervorheben.

Diese Ergebnisse deuten somit darauf hin, dass die Mobilität unter spezialisierten Pastoralisten möglicherweise nicht die primäre Triebkraft für die Nutzung der Hochlandressourcen oder die interregionale Konnektivität war. Die Forschenden vermuten die Existenz verschiedener pastoraler Strategien im Kaukasus während des Chalkolothikums. Frühere Untersuchungen derselben Fundstätte, die sich auf die Beschaffung von Obsedian-Artefakten konzentrierten, deuteten auf einen verstärkten regionalen Austausch während des späten Chalkolithikums hin, obwohl die Bevölkerung nur wenig mobil war. Dies deutet darauf hin, dass obwohl die Bewegungen der Menschen begrenzt waren, es zu einer bedeutenden Intensivierung des Austauschs von Waren, Wissen und Rohstoffen mit anderen Regionen kam.
Die Autor:innen betonen, wie wichtig es ist, mehrere Entwicklungswege für frühe und moderne Gesellschaften in Betracht zu ziehen, anstatt von einem einheitlichen Ansatz für Entwicklung und Modernisierung auszugehen. Das Forschungsteam fordert, dass künftige Forschungen mehr Datensätze integrieren, um die komplexen Interaktionen zwischen Lebenspraktiken, Handel und sozioökonomischen Dynamiken in früheren Gesellschaften zu verstehen.