Klimawandel beeinflusste die Verbreitung der transeurasischen Sprachen
Neue Studie untersucht die Auswirkungen von Klimawandel auf die Ausbreitung von Sprache in Nordostasien während der letzten 9000 Jahre

Wie wirkt sich Klimawandel auf die Geschichte der Menschheit aus? Und finden wir die Auswirkungen von Klimawandel auch in der Sprache? Dies war die Kernfrage eines internationalen Forschungsteams in der von Martine Robbeets herausgegebenen Sonderausgabe: From climate change to language change: how climate impacted language dynamics in the Holocene in Quaternary Environments and Humans. Anhand von Fallstudien aus verschiedenen Teilen der Welt, geht diese Ausgabe der Frage nach, wie sich die Klimaveränderungen der letzten 10.000 Jahre auf die Sprachdynamik auswirkten.
Eine in der Ausgabe erschienene Studie, geleitet von Prof. Dr. Martine Robbeets und Dr. Christian Leipe vom Max-Planck-Institut für Geoanthropologie, konzentriert sich dabei auf die in Nordostasien gesprochenen transeurasischen Sprachen wie Japanisch, Koreanisch, Tungusisch und Mongolisch. Die Forschenden untersuchten dabei, ob und wie sich Klimaveränderungen auf die Verbreitung dieser Sprachen auswirkten, beginnend bei ihrem gemeinsamen Ursprung in der Region des westlichen Liao-Flusses im heutigen Nordostchina bis hin zu ihrer heutigen geographischen Verbreitung.
Klima als eine treibende Kraft hinter Verbreitung von Sprache

Das Team kommt zu dem Ergebnis, dass globale und regionale Klimatrends Schlüsselfaktoren bei der Verbreitung der transeurasischen Sprachen waren. Klimaänderungen beeinflussten die landwirtschaftlichen Möglichkeiten in Nordostasien und prägten damit die Migrations- und Bewegungsmuster der Menschen, was letztendlich die Ausbreitung von Nutzpflanzen und Sprachen ermöglichte.
Während frühere Erklärungsansätze für die Ausbreitung von Sprachen oft soziale, politische oder kulturelle Faktoren betonten, zeigt diese Studie, dass auch Umweltveränderungen eine entscheidende Rolle spielten.
Ein interdisziplinärer Ansatz
Das Team verfolgte für seine Studie einen interdisziplinären Ansatz. Diese Methode, die die Forschenden als Triangulation bezeichnen, integriert die Daten und Erkenntnisse aus verschiedenen Disziplinen, um bisherige Informationslücken zu schließen. In diesem Fall triangulierten sie Linguistik, Archäobotanik und Paläoklimatologie.
Der Prozess der Triangulation läuft in folgenden vier Schritten ab:
1. Unabhängige Analyse: Jede Disziplin führte ihre eigene Datenerhebung und -analyse unabhängig voneinander durch, um Zirkelschlüsse zu vermeiden.
2. Abgleich der quantitativen Variablen: Das Team glich dann Schlüsselvariablen wie z. B. die zeitliche Tiefe, die räumliche Verteilung und die Richtung der Ausbreitung in den Datensätzen ab, die die Ausbreitung von Sprachen, Kulturpflanzen und die Änderungen in den klimatischen Bedingungen zeigen.
3. Abgleich der qualitativen Variablen: Das Vokabular der Proto-Sprachen wurde rekonstruiert, um Wörter zu identifizieren, die mit der Landwirtschaft in Verbindung stehen, was Einblicke in das landwirtschaftliche Wissen früherer Sprachgemeinschaften ermöglicht. Diese linguistischen Erkenntnisse wurden mit archäobotanischen Erkenntnissen aus Aufzeichnungen von Pflanzenresten und Paläoklimarekonstruktionen verglichen.
4. Ursache-Wirkung-Bestimmung: Schließlich fügten die Forschenden die übereinstimmenden Belege zu einer ganzheitlichen Erzählung zusammen und identifizierten so die plausibelste Kausalkette: Der Klimawandel trieb die landwirtschaftliche Expansion voran, die wiederum die Ausbreitung der transeurasischen Sprachen über Nordostasien ermöglichte.
Ausblick für weitere Forschung
Die Bedeutung dieser Untersuchungen geht weit über die historische Linguistik hinaus. Erstens zeigt die Studie die historischen Verbindungen zwischen Sprachdynamik und Klimawandel und beleuchtet die Herausforderungen, denen sich Sprachen und Gemeinschaften heute angesichts des zunehmenden Klimawandel-Drucks stellen müssen.
Zweitens bietet das Projekt ein Modell zum Beitrag der Geisteswissenschaften in der Klimaforschung. Die Studie zeigt, dass die Kombination von sprachlichen Belegen mit Erkenntnissen aus der Paläoklimatologie und der Archäobotanik helfen kann, historische Mensch-Umwelt-Interaktionen zu rekonstruieren.
Schließlich liefern die Ergebnisse auch neue Hinweise für eine seit langem geführte Debatte über die Ursprünge und die Verbreitung der transeurasischen Sprachen. Die vom Team vorgestellte interdisziplinäre Synthese verleiht der Theorie eines gemeinsamen Ursprungs und einer mit der landwirtschaftlichen Expansion einhergehenden Verbreitung neues Gewicht und bietet ein solideres und differenzierteres Verständnis der Sprachgeschichte der Region.