Leben am Scheideweg: Landnutzung, Verbindungen, Staatsbildung und Resilienz im alten Armenien

An der Schnittstelle zwischen dem Nahen Osten, Europa und dem Kaukasus gelegen, ist Armenien seit langem ein Treffpunkt verschiedener Kulturen und Bevölkerungsgruppen. Diese Region bietet eine einzigartige Gelegenheit, zu untersuchen, wie Gesellschaften im Laufe der Zeit auf Umweltveränderungen, wirtschaftliche Entwicklungen und politische Umwälzungen reagiert haben. Durch eine interdisziplinäre Analyse kultureller und biologischer Materialien aus archäologischen Stätten im gesamten heutigen Armenien untersucht unsere Forschung die komplexen Wechselwirkungen zwischen historischen, sozioökonomischen, politischen und klimatischen Faktoren, die die Lebensweise, die soziale Organisation und die Landnutzung der Menschen geprägt haben.

Handels- und Subsistenzwirtschaften im kupferzeitlichen Armenien (TrAnSEC Armenien)

Die Kupferzeit im Südkaukasus (ca. 5.500/5.200 - 3.500 v. Chr.) war eine Zeit bedeutender technologischer und sozioökonomischer Veränderungen, die durch die Entwicklung von Bergbautechniken, die Gewinnung von Kupfer und verstärkte kulturelle Kontakte und Austausch geprägt war. Forschende argumentieren, dass der Kaukasus während der Kupferzeit einen Wandel hin zu größerer Mobilität durchlief, der durch die Ausbeutung der Ressourcen des Hochlands vorangetrieben wurde und Verbindungen zu Mesopotamien, dem Iran, Anatolien und dem Nordkaukasus erleichterte. Während die mobile Viehzucht oft als Haupttreiber dieser Interaktionen genannt wird, bleiben Fragen zur Vielfalt der Landnutzungsstrategien, Subsistenzformen und Siedlungsmuster in Hochlandgebieten offen.

TrAnSEC Armenia geht diesen Fragen durch archäologische Untersuchungen in Südarmenien und die Ausgrabung der Felshöhle Yeghegis-1 nach. Durch die Integration biomolekularer Methoden mit traditionellen archäologischen Techniken überprüft dieses Projekt lang gehegte Ansichten über die Mobilität der Hirten, die Nutzung von Tieren und die Wechselwirkungen zwischen Mensch und Umwelt in dieser entscheidenden Phase.

Auf dem Weg zur Staatsbildung: Städtische und wirtschaftliche Grundlagendes Reiches Urartu

Urartu, das erste Königreich, das im armenischen Hochland entstand, entwickelte sich Mitte des 9. Jahrhunderts v. Chr. rasch und erreichte seinen Höhepunkt im 8. und 7. Jahrhundert v. Chr. Das Königreich zeichnete sich durch Keilschriftinschriften, fortschrittliche Metallurgie, standardisierte Messsysteme und eine unverwechselbare Architektur aus und wurde zu einer dominierenden Macht im Nahen Osten, die häufig mit Assyrien Krieg führte. Kontinuierliche Konflikte schwächten das Königreich jedoch und führten zu seinem Niedergang im frühen 6. Jahrhundert v. Chr.

Dieses Projekt zielt darauf ab, Licht auf das städtische Leben, die sozioökonomischen Strukturen, die Ressourcenverwaltung und die Wechselwirkungen zwischen Mensch und Umwelt vor und während der urartäischen Zeit zu werfen. Anhand archäologischer und biomolekularer Analysen – darunter Stabilisotopen- und Paläoproteomstudien an menschlichen und tierischen Überresten – konzentriert sich unsere Forschung auf drei Stätten aus der Urartäerzeit: die Festungen Erebuni und Karmir Blur sowie die Nekropole Lori Berd, die seit dem späten 3. Jahrtausend v. Chr. besiedelt war. Die vergleichenden Analysen dieser Stätten werden uns Einblicke in das komplexe Zusammenspiel von Macht, Rohstoffgewinnung, Nahrungsmittelmangement und sozialen Systemen innerhalb einer urbanen Handelsgesellschaft ermöglichen.

Überleben im Wandel: Lebenswisen der Menschen in der sich wandelnden geopolitischen Landschaft des mittelalterlichen Armeniens

Das Mittelalter war geprägt von tiefgreifenden geopolitischen Veränderungen, darunter die Gründung des armenischen Königreichs, die mongolischen Invasionen, die Entstehung des Osmanischen Reiches und die Herrschaft der persischen Safawiden, die alle unauslöschliche Spuren in der Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur des armenischen Hochlands hinterlassen haben. Wir wollen untersuchen, wie das Zusammenspiel historischer, sozialer, politischer, wirtschaftlicher und klimatischer Veränderungen die Lebensweisen der Menschen, die soziale Organisation und die Landnutzung beeinflusst hat. Dazu führen wir osteologische und stabile Isotopenanalysen an Menschen und Tieren aus verschiedenen mittelalterlichen Fundstätten im heutigen Armenien durch.

Durch die Erstellung biologischer Profile von menschlichen Überresten wollen wir sowohl die individuelle Gesundheit als auch die kollektive Bevölkerungsdynamik bewerten. Mithilfe stabiler und radiogener Isotopenanalysen werden wir die Ernährungsgewohnheiten von der frühen Kindheit bis zum Erwachsenenalter rekonstruieren und dabei Unterschiede im Lebensmittelkonsum untersuchen, die lokale Anpassungen oder weiterreichende soziopolitische Einflüsse widerspiegeln könnten. Mit diesem multidisziplinären Ansatz wollen wir neue Erkenntnisse darüber gewinnen, wie mittelalterliche armenische Gemeinschaften mit sich wandelnden politischen Verhältnissen umgegangen sind.

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